Wenn man keine Entscheidungen trifft, kann das fatale Folgen haben. Vielen von uns fällt es schwer, sich im Alltag für die eine oder andere Option zu entscheiden. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, meine Kunden dabei zu unterstützen. Heute stelle ich ein Werkzeug vor, das ich dabei oft zur Hilfe nehme: die Affektbilanz.
Abb.: verschiedene Optionen mit der Affektbilanz abwägen (eigene Darstellung)
Ursprung und Aufbau
Die Methode wurde von Maja Storch im Rahmen des Zürcher Ressourcen Modells entwickelt. Sie beruht auf dem Prinzip «Eine gute Entscheidung ist eine Entscheidung, bei der Verstand und Unbewusstes koordiniert sind. Das bedeutet also, dass wir dann eine gute Entscheidung treffen, wenn die Bewertung von unserem Verstand und die Bewertung von unserem Unterbewussten, also von unserem Bauchgefühl, zu demselben Ergebnis kommen.» (Storch 2013, Internetquelle). Zentrales Element der Affektbilanz bilden immer zwei Achsen: eine Positive und eine Negative. Beide Achsen sind mit der gleichen Skalierung versehen, zum Beispiel von 0 bis 100. Damit kann ich jede Option meiner Entscheidungssituation auf die Stärke der positiven beziehungsweise der negativen Resonanz prüfen. Zentral ist dabei die Visualisierung der Achsen, zum Beispiel auf einem Blatt Papier, einem Flipchart mit Klebe- oder Magnetpunkten oder auf einem virtuellen Board.
Anwendung in Kombination von Intuition und Verstand
Um die Abfragen nach Bauchgefühl und Verstand getrennt voneinander durchführen zu können, passiert die Bearbeitung in zwei Schritten:
Zuerst eine spontane Bewertung. Gemäss Storch (2013) bekommt man «innerhalb von ca. 200 Millisekunden ein Bauchgefühl». Das Bauchgefühl teilt sich in zwei Bereiche auf: ein Gefühl für den negativen Affekt, also das negative Gefühl und ein anderes für den positiven Affekt.
Im nächsten Schritt wird das Ergebnis zunächst betrachtet und dann mit moderierten Fragen untersucht. Dabei wird mit gezielten Fragen im Coaching-Stil der Verstand abgeholt: «Was müsste anders sein, damit der Wert eine Stufe höher wäre?» «Wieso steht die Markierung bei 40 und nicht bei 0?» «Was müsste verändert werden, damit der Wert auf der Negativ-Achse tiefer kommt?» Oft verändert sich die Bewertung nach dem zweiten Schritt oder es kristallisieren sich erste Ideen zur Entscheidungsfindung heraus.
Einstieg Schritt für Schritt
Um in die Methode einzusteigen, ist es unerlässlich, eine kurzes spielerisches Schritt-für-Schritt Beispiel durchzugehen. Man beginnt dazu mit der isolierten Betrachtung der Achsen. Die Person, die die Methode kennenlernt, überlegt sich eine Sache oder Situation mit starkem negativem Affekt: also minus 100, plus 0. Anschliessend das Gegenteil, also eine Sache oder Situation mit minus 0, plus 100. Im dritten Schritt sucht man nach Beispielen mit stark gemischten Affekten, also minus 100, plus 100. Zum Beispiel: Eine Sache, die zwar sehr bereichernd, gleichzeitig aber auch sehr mühselig zu bearbeiten ist. Im letzten Schritt überlegt man sich eine Sache mit minus 0, plus 0. Das wäre dann etwas, was einem gleichgültig ist.
Sobald man nun ein Verständnis für die Achsen-Bedeutung erlangt hat, kann man mit dem Bearbeiten, der verschiedenen Entscheidungs-Optionen starten. Um das zu tun, zeichnet man so viele Affektbilanzen wie Optionen da sind, nebeneinander: immer zwei Achsen pro Option, siehe Abbildung. Die Skalen sind dabei immer identisch. Dann startet man mit dem zweistufigen Vorgehen zuerst nach Bauchgefühl und anschliessend mit gezielter Befragung. Am besten gelingt die Anwendung daher zu Zweit.
Affektbilanz zur Prüfung von Akzeptanz im Team
Affektbilanzen lassen sich auch sehr gut für die Findung von Teamkonsens einsetzen. Im Vorfeld werden die Minimum-Parameter für die Annahme oder Befürwortung gemeinsam festgelegt. Zum Beispiel: Damit der Vorschlag angenommen wird, muss das Ergebnis mindestens 70 positiv und 0 negativ erreichen. Zur Evaluation nimmt jedes Teammitglied eine eigene Messung der beiden Skalen vor. Anschliessend werden die Ergebnisse kumuliert und so mit den vorher definierten Mindestwerten abgeglichen. Beispielsweise lassen sich so die Akzeptanz von definierten Zielen oder Initiativen messen. Nur wenn alle Mitarbeitenden hinter den formulierten Zielen stehen, werden sie auch alles dafür tun, dass diese erreicht werden.
Fazit
Die Affektbilanz ist ein hilfreiches Instrument, mehr Klarheit zwischen verschiedenen Entscheidungsoptionen zu erlangen. Ihre Wirkung ist am effektivsten, wenn sie zu Zweit oder im Team angewendet wird.
Generell ist es bei Entscheidungen im Zweifelsfall immer besser, sich für einen Weg zu entscheiden, auch wenn man sich nicht zu hundert Prozent sicher ist. Nicht-Entscheiden ist in jedem Fall das Worstcase Szenario.
Hat das Lust gemacht, mehr zum Thema Entscheiden, der Affektbilanz und/oder weiteren Tools zur Unterstützung in der Entscheidungsfindung zu erfahren? Ich freue mich jederzeit über ein unverbindliches Gespräch zur Vertiefung ihres Themas.