Die unbequeme Wahrheit über Führung: Warum Harmonie kein Führungsprinzip ist
- Silvia Peter

- 19. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Die meisten Führungskräfte kennen das Dilemma: klare Ansagen machen oder die Stimmung bewahren? Viele entscheiden sich für Harmonie und merken erst später, was sie damit auslösen.

Wenn Beliebtheit zur Falle wird
Vor ein paar Monaten sass ich mit Laura* zusammen, einer frisch beförderten Teamleiterin. Nach sechs Monaten in ihrer neuen Rolle war sie frustriert: «Mein Team mag mich, aber irgendwie läuft trotzdem nichts rund. Entscheidungen ziehen sich ewig hin, und bei Konflikten schauen alle zu mir. Aber wenn ich dann Position beziehe, ist die Stimmung im Keller.»
Lauras Problem ist kein Einzelfall. Viele Führungskräfte verwechseln Beliebtheit mit gutem Leadership. Doch wer führt, darf nicht gefallen wollen.
Harmonie ist keine Führungsstrategie
Wer es allen recht machen will, sagt oft nicht, was Sache ist. Das Resultat: Unklarheit, Frustration und ein Team, das orientierungslos durch den Arbeitsalltag navigiert.
Ich erlebe immer wieder Führungspersonen, die kritische Gespräche auf die lange Bank schieben. «Vielleicht löst sich das Problem ja von selbst», hoffen sie. Spoiler: Tut es nicht. Im Gegenteil: aus kleinen Unstimmigkeiten werden handfeste Konflikte, die das ganze Team lähmen. Das Problem dabei: Nicht die Mitarbeitenden leiden am meisten unter dieser Harmoniebedürftigkeit. Es ist die Führungsperson selbst, die sich zwischen allen Stühlen wiederfindet und am Ende niemanden zufriedenstellt – auch sich selbst nicht.
Klartext schafft Vertrauen
Menschen brauchen Orientierung. Sie wollen wissen, woran sie sind. Wenn du als Führungsperson klare Ansagen machst, mag das im ersten Moment unbequem sein. Langfristig schafft es aber genau das, was sich alle wünschen: Sicherheit.
Tom*, ein Geschäftsführer aus der Agenturbranche, erzählte mir kürzlich: «Früher habe ich Feedback immer in Watte gepackt. Ich dachte, das sei empathisch. Bis mir eine Mitarbeiterin sagte: ‹Ich weiss nie, was du wirklich denkst. Das macht mich wahnsinnig.»
Seitdem hat Tom seinen Stil geändert. Er sagt klar, was funktioniert und was nicht. Die ersten Reaktionen waren gemischt: manche waren überrascht von der neuen Direktheit. Aber nach wenigen Wochen stellte sich heraus: Die Produktivität stieg, die Stimmung verbesserte sich, und die Mitarbeitenden fühlten sich ernst genommen.
Klartext bedeutet nicht Härte. Es bedeutet, ehrlich und respektvoll zu kommunizieren. Es bedeutet, Probleme anzusprechen, bevor sie eskalieren. Und es bedeutet, den Mut zu haben, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen.
Der schmale Grat zwischen Empathie und Klarheit
«Aber Silvia», höre ich oft, «willst du mir sagen, dass mein Führungsstil jetzt kalt und distanziert werden muss?»
Ganz im Gegenteil. Empathie und Klarheit schliessen sich nicht aus, sie bedingen einander. Gerade weil du dein Team verstehst und wertschätzt, solltest du ehrlich sein. Wenn du deinen Mitarbeitenden nicht sagst, woran sie sind, können sie sich auch nicht entwickeln. Und ihr verliert beide wertvolle Entwicklungschancen.
Sarah*, eine Teamleiterin, bringt es auf den Punkt: «Früher dachte ich, nett sein bedeutet, Konflikte zu vermeiden. Heute weiss ich: Wirkliche Fürsorge bedeutet, meinem Team zu helfen, besser zu werden. Und das geht nur mit ehrlichem Feedback.»
Die Kunst liegt darin, klar in der Sache und wertschätzend im Ton zu sein. Du kannst durchaus sagen: «Diese Präsentation erfüllt nicht unsere Standards, und ich weiss, dass du es besser kannst. Lass uns gemeinsam schauen, wo es hakt.» Das ist direkter als «Die Präsentation war okay, aber...» und trotzdem respektvoll.
Drei Schritte zu mehr Klarheit
1. Erkenne deine Harmoniefallen
Wo vermeidest du Konflikte? Bei welchen Themen drückst du dich um klare Ansagen? Der erste Schritt ist immer die Selbsterkenntnis.
2. Übe im Kleinen
Starte mit niedrigschwelligen Situationen. Sag beim nächsten Meeting klar deine Meinung, auch wenn sie kontrovers ist. Gib zeitnah Feedback, statt es aufzuschieben.
3. Hole dir Rückmeldung
Frag dein Team: «Wisst ihr immer, woran ihr bei mir seid?» Die Antworten werden dich überraschen - und dir zeigen, wo du noch klarer werden darfst.
Führung ist kein Beliebtheitswettbewerb
Laura* hat übrigens ihren Führungsstil geändert. Sie sagt heute: «Ich habe aufgehört, Everybodys Darling sein zu wollen. Stattdessen bin ich klar, verbindlich und trotzdem menschlich. Mein Team respektiert mich dafür. Und das ist mehr wert als oberflächliche Sympathie.»
Wer führt, muss Position beziehen. Das erfordert Mut, gerade am Anfang. Aber genau dieser Mut macht den Unterschied zwischen einer Führungskraft, die gemocht wird, und einer, die wirklich etwas bewegt.
Veränderung beginnt mit Klarheit. Und Klarheit beginnt bei dir.
Du willst an deiner Führungsklarheit arbeiten? Lass uns bei einem Kaffee darüber sprechen, wie du den Mut zur klaren Kante entwickelst, ohne dabei deine Empathie zu verlieren.