In letzter Zeit wurde ich immer mal wieder gefragt, was ich als wichtigstes Tool im Zusammenhang mit gutem Leadership sehe. Die Antwort ist simpel und doch vielschichtig: mehr Fragen stellen und mehr zuhören.
Abb.: Eigene Darstellung
Druck erzeugt Reaktion
Viele Führungspersonen werden aufgrund ihrer ausgezeichneten Leistung zur Führungsperson befördert. Das bringt zwar sicher Stolz und einen aufrechten Gang mit sich – denn sind wir mal ehrlich: wer wird schon nicht gern für seinen Einsatz gelobt und gefördert. Aber – und das wird aus meiner Sicht zu oft unterschätzt – es bringt auch eine ganze Menge Verantwortung und somit Druck mit. Dieser Druck gepaart mit dem festen Vorsatz, seine Aufgabe gewissenhaft und mit besonders viel Sorgfalt anzugehen, führt leider oft zu etwas Übereifer. Zum Übernehmen von Aufgaben, die gar nicht übernommen werden müssten. Zum Aufbürden von Verantwortlichkeiten, die auch gerne zurückgegeben werden dürften. Ich spreche da aus eigener Erfahrung: auch ich habe früher Führungsaufgaben übernommen und diese mit bestem Wissen und Gewissen und sogar mit Freude angenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich aber nie ein Leadership-Programm oder Ähnliches durchlaufen, und daher viele Mythen einfach gar nicht als solche erkannt.
Leadership vs. Management
Gerade weil die meisten Führungspersonen aus ausführenden Positionen kommen, sind sie überzeugt, dass sie weiterhin «machen müssen». Also Probleme, die an sie herangetragen werden, müssen sie lösen. Herausforderungen, die schwer überwindbar wirken, müssen sie für ihre Mitarbeitenden leichter zu bezwingen gestalten. Auf Fragen müssen sie Antworten finden. Kurz: sie managen die Anliegen ihrer Mitarbeitenden. Und genau hier kommt der Faktor Leadership ins Spiel. Denn in der heutigen Welt gibt es so viele Kontexte, wo es auch mit noch so viel Management nicht gelingen wird, die Herausforderungen, die jede Woche aufs Neue auf uns warten, anzugehen. Werfen wir mal einen Blick auf das Titelbild dieses Blogartikels: ich kann von aussen noch so sehr versuchen, an der Jungpflanze zu ziehen, deshalb wird sie nicht schneller wachsen. Ich kann einer lebendigen Pflanze auch keine Blüten oder zusätzlichen Blätter ankleben: sie muss diese selbst entwickeln. Und alles gute Zureden und Motivieren wird nicht dafür sorgen, dass sie schneller mehr Wurzeln schlägt. Sorge ich aber dafür, dass ich für das Pflänzchen ideale Bedingungen schaffe, also den Boden mit genügend Nährstoffen versorge, dazu schaue, dass es weder zu trocken noch zu nass hat, und ihm regelmässig die richtige Menge Wasser gebe, dann sind schon mal sehr gute Voraussetzungen geschaffen, dass das Pflänzchen wachsen und gedeihen kann. Übersetzt auf unsere Führungsaufgaben heisst das, dass wir unseren Mitarbeitenden genügend Raum geben dürfen, sich selbst zu entfalten. Wir sind dafür verantwortlich, ideale Bedingungen zu schaffen, damit das auch passieren kann. Aber wir müssen nicht alle Probleme für unsere Mitarbeitenden lösen. Genau hier kommt nun das Werkzeug «Coaching als Führungstechnik» ins Spiel.
Reden ist Silber, Zuhören ist Gold
Die meisten Führungspersonen wurden zu solchen, weil sie einen herausragenden Job in ihrem Fachgebiet leisten. Sie sind also Fachexpert:innen und sich somit auch gewohnt, Auskünfte und Ratschläge zu geben. Es liegt also auf der Hand, dass sie nach ihrer Beförderung nicht als erstes auf die Idee kommen, Fragen zu stellen. Schliesslich wurden sie ihr Leben lang dazu aufgefordert, Lösungen zu finden. In der Führung ist das Erteilen von Ratschlägen und konkreten Anweisungen zwar durchaus manchmal sinnvoll. Doch nachhaltiger ist es, wenn die Führungspersonen ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, ihre eigenen Lösungen zu entwickeln. Wenn ich nun also von Coaching als Führungstechnik spreche, meine ich damit nicht, dass alle Führungspersonen eine Coachingausbildung machen sollen. Oder dass sie nur noch Fragen stellen und zuhören sollen. Ich bin aber überzeugt davon, dass gewisse Techniken aus dem Coaching mit etwas Übung durchaus als gutes Führungsinstrument eingesetzt werden können. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir unserem Gegenüber viel mehr Raum lassen dürfen. Ein wichtiges Element ist hierbei das Zuhören. Wir sind in unserer schnelllebigen Welt dazu verzogen, alles immer noch schneller und effizienter zu gestalten. Manchmal liegt aber genau in der Pause, die Kraft. Stellen wir unserem Gegenüber also eine Frage – ganz wichtig, die muss mit echtem Interesse gestellt werden – und geben wir der Antwort nun auch Zeit. Auch wenn nicht nach zwei Sekunden eine Antwort fällt, und es vielleicht im ersten Moment etwas unangenehm ist: halten wir aus und warten wir ab. Der Hebel bei dieser Technik liegt darin, dass wir die Antwort nicht vorwegnehmen, sondern unserem Gesprächspartner oder unserer Gesprächspartnerin den Raum lassen, sich durch eine neue Perspektive selbst auf neue Ideen zu bringen. Die Fragetechnik fördert die Kreativität und schlussendlich eben das Finden von Lösungen aus eigener Kraft. Haben unsere Mitarbeitenden die Lösung selbst entwickeln können, ist diese kraftvoller, als wenn sie die Lösung von den Vorgesetzten fixfertig präsentiert bekommen.
Mit Vorsicht geniessen
Coaching als Führungstechnik ist kein Allerweltsmittel und somit nicht für jede Situation geeignet. Es gibt Situationen, wo die Führungspersonen wie erwähnt durchaus gefordert sind, Lösungen zu liefern. Ich behaupte allerdings, dass wir in der Regel zu schnell dazu greifen. Coaching beinhaltet ausserdem viel mehr als reines Fragen-Stellen und Zuhören. Trotzdem kann Coaching schon mit ein bisschen Übung in vielen Situationen als wirkungsvolles Führungsinstrument funktionieren. Wichtig ist, sich mit der Thematik «Coaching» auseinanderzusetzen. Nicht jede Frage ist eine gute Frage. Und es geht auch nicht darum, den Ball einfach zurückzugeben. Vielmehr sollen die gezielt gestellten Fragen wie oben erwähnt dazu führen, dass unsere Gesprächspartner:innen die Situation aus einem neuen, bisher unbeachteten Blickwinkel betrachten und sie so neu denken können. Ein absolutes No-Go ist es, zu versuchen, einen Ratschlag verpackt in einer (Suggestiv-)Frage zu vermitteln. Auch wenn wir eine gute Lösung noch so klar vor Augen haben, heisst das nicht, dass unser Gegenüber nicht noch eine viel bessere und vielleicht zu ihm oder ihr Passendere finden kann. Denn genau hier fängt es an, super spannend für beide Seiten zu werden.
Fazit
Druck auf Führungspersonen führt oft zu einem Übermass an Verantwortung. Als Führungskräfte dürfen wir uns bei jeder Herausforderung überlegen, ob und wenn ja, wieviel Verantwortung wir jeweils zu uns nehmen. Denn Unterstützung bedeutet bei Weitem nicht nur Problemlösung. In jedem Fall liegt die Kunst im gekonnten Wechsel zwischen aktiver Unterstützung und dem Schaffen von Raum und idealen Bedingungen für selbstentwickelte Lösungen. Eine bewusste Fragetechnik und aktives Zuhören fördern nicht nur Kreativität. Beides stärkt ausserdem die Identifikation mit den erarbeiteten Lösungen.
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