Kennt ihr das? Ihr seht einen Berg Arbeit vor Euch. Eigentlich zu viel für eine Person. Aber bis ihr das jetzt jemandem anderen erklärt hättet, habt ihr es ja selber längst erledigt. Und dann ist es wenigstens richtig.
Übergabe lohnt sich nicht
Wie oft habe ich genau diese Situation in meiner Vergangenheit selbst erlebt. «Ja, dann mach ich das auch noch 'schnell'. Schliesslich haben die anderen ja auch genug auf dem Tisch. Und bis ich dann genau den Kontext und die Umsetzung erklärt habe, bin ich selbst längst damit fertig.» Solche Gedanken gingen mir oft durch den Kopf. Und heute erzählen mir meine Kund:innen davon. Wahrscheinlich habt ihr meinen Unterton schon richtig entlarvt und den Zynismus erkannt. Genau: es geht auch anders.
Wirkung und Tiefe von Offenheit
Gerade bei hohem Workload über längere Zeit ist es umso wichtiger, frühzeitig einzuschreiten und die Aufgaben zu verteilen. Das hat nicht nur den Impact, dass man über kurz oder lang selbst entlastet ist, weil man nicht mehr die einzige Person ist, die eine solche Aufgabe erledigen kann. Zusätzlich trägt es oft auch dazu bei, dass die Mitarbeitenden, welche sich das neue Skill aneignen, sich selbst entwickeln und etwas Neues lernen. Ich weiss, was ihr jetzt denkt: «Ja, aber bei dieser Aufgabe, da kann jetzt niemand wachsen. Das ist einfach Fleissarbeit oder eine mühsame Aufgabe, die halt einfach erledigt sein muss.» Oder: «Diese Aufgabe kann ich nicht abgeben.» Unterschätzt nicht den Effekt von Zusammenarbeit und dem Annehmen von Unterstützung. Nicht selten sehen Arbeitskollegen so eine neue Seite an der Person, die Mithilfe zulässt. Und das kann mitunter einen richtigen Motivations-Boost verleihen.
Ein Praxisbeispiel
Letzten Herbst habe ich mich entschieden, für meine Website sogenannte Stop-Motion Filmchen zu produzieren. Dabei fotografiert man 12 Bilder pro Sekunde, wobei man das Fotoobjekt jeweils minimal bewegt. So entsteht nach der Post-Produktion Bewegt-Bild. Für den Inhalt hatte ich die glorreiche Idee, dass es regnen soll. Was ich vorher nicht wusste: Mein Storyboard sah 9 Sekunden Regen-Filmmaterial vor, das heisst 70 Tropfen à 12 Bilder pro Sekunde, ergibt also ein Total von 7500 Regentropfen, die es zu bewegen galt. Zum Glück hat mich eine liebe Bekannte freiwillig dabei unterstützt. Mir war das zuerst gar nicht recht und ich dachte mir auch, dass wir zu zweit eh keinen Platz an der kleinen A3-Arbeitsfläche haben. Trotzdem habe ich mich schlussendlich für die Unterstützung entschieden und siehe da: nicht nur war ich massiv viel schneller, als wenn ich das Vorhaben alleine umgesetzt hätte. Nein – wir sind durch das gemeinsame Tun auf diverse Optimierungsideen gekommen, welche wir auch direkt umgesetzt haben. Nun ist klar: das Ergebnis wäre ein anderes geworden, hätte ich mein Vorhaben ohne Unterstützung umgesetzt. Ist es so besser geworden? Grundsätzlich schwer zu sagen. Allerdings glaube ich definitiv, dass ich massiv mehr Zeit gebraucht hätte und somit wahrscheinlich nicht in einem Rutsch hätte produzieren können. Ich hätte wegen Ermüdungserscheinungen abbrechen müssen. Und ziemlich sicher hätte ich durch die hohe Belastung nicht noch Inspiration für Verbesserungsmöglichkeiten bekommen, sondern eher so schnell wie möglich abschliessen wollen.
Neue Perspektiven und Schwung
Auch wenn das Verteilen von Aufgaben manchmal Überwindung, und in erster Einschätzung etwas Zusatzaufwand braucht, meine Erfahrung zeigt: es lohnt sich. Nicht nur nimmt das Gegenüber eine wertvolle Erfahrung oder sogar Fähigkeitsentwicklung mit – oft auch dann, wenn man es nicht erwartet. Sehr oft dient eine Verteilung zudem auch dem Outcome. Neue Perspektiven ermöglichen neue Umsetzungen. Und so entsteht womöglich ein ganz neuer Drive, auch mal über das aktuelle Projekt hinaus. Und vielleicht noch ein Satz für die Perfektionisten unter Euch: ja, es liegt vielleicht nicht jedes Tröpfen perfekt auf dem Set. Aber ganz ehrlich: spätestens nach den ersten Tausend Bewegungen hätte ich auch alleine den Wunsch nach Perfektion aufgegeben. Die Zusammenarbeit hat auch diesem Anspruch von mir also eher geholfen statt geschadet.
Fazit
Gerade bei Ressourcen-Engpässen und gerade, wenn man denkt, dass man selbst am schnellsten ist, lohnt sich eine Ehrenrunde Selbstreflexion: Ist man genügend neutral, alle Aspekte zu erkennen? Führt der angestrebte Weg tatsächlich auf allen Ebenen zum besten Ergebnis? Bei den Mitarbeitenden? Beim Endresultat? Bei der eigenen Gesundheit?
Wenn Euch solche Szenarien bekannt vorkommen, ihr aber genau für Euer Anliegen noch nicht ganz den optimalen Lösungsweg gefunden habt: lasst uns bei einem Kaffee darüber sprechen.
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