Alles ist eine Frage der Perspektive. Wenn wir uns bewegen, verändert sich die Wahrnehmung immens. Was wir nicht können, ist aus unserem eigenen System heraustreten. Für eine neutrale Beurteilung der eigenen Umgebung ist der Aussenblick deshalb Voraussetzung.
Bild: Eigene Aufnahme, Furkapass, September 2020
Zwei Wege zur Verbesserung
Persönliche Entwicklung hat immer ganz stark damit zu tun, dass man etwas Bestehendes in irgendeiner Form optimieren möchte. Grundvoraussetzung ist, dass man das aus eigenem Antrieb möchte. Klar kann man sich an die Verbesserung seiner Schwächen machen, wenn es einem aber einzig von aussen vorgegeben wird, ohne dass man es selber auch möchte, wird die Wirkung sich in Grenzen halten.
Die meisten von uns kennen den klassischen Weg der Entwicklung: man geht zur Schule, man macht eine Aus- oder Weiterbildung, wendet das Gelernte in der Praxis an und macht eigene Erfahrungen. Im besten Fall, reflektiert man von Zeit zu Zeit über seine Erfahrungen um Optimierungspotenzial zu finden und weiter an sich zu arbeiten.
Auf der anderen Seite kennt man die Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit Coaches insbesondere aus dem Sport. Egal ob Vereins-Mannschaft oder Tennis-Profi: alle werden gecoacht. Das zeigt auf, dass es im Coach/Coachee-Verhältnis nicht darum geht, dass der oder die Coach besser sein muss als sein oder ihr Gegenüber. Es geht um etwas anderes: um den Aussenblick.
Will ich mir das wirklich antun?
Wenn ich mich dafür entscheide, etwas verändern zu wollen, dann muss ich überzeugt davon sein, dass ich Arbeit investieren will. In meinem Blogbeitrag zum Tiefpunkt der Veränderung gehe ich näher darauf ein, wie man im Veränderungsprozess die J-Kurve durchläuft. Spoiler: bevor es besser wird, wird es mit höchster Wahrscheinlichkeit erst mal schlechter.
Entscheidet man sich dazu, gemeinsam mit einer neutralen Person an sich arbeiten zu wollen, hilft es, sich genau diese J-Kurve schon vorher vor Augen zu halten. Es gehört schon auch eine Portion Mut dazu, sich bewusst von aussen einschätzen – vielleicht auch mal kritisieren – zu lassen. Gleichzeitig darf man wertvollste Einsichten erwarten. Ein Aussenblick ermöglicht eine ganz neue Wahrnehmung. Denn die Person, welche diesen einbringt, bringt weder einen sogenannten ‘Confirmation bias’ noch sonstige Befindlichkeiten mit, sondern eine unvoreingenommene, neutrale Sicht auf die Dinge. Und das Beste: meistens kommen diese Insights gepaart mit konkreten Handlungs-Ansätzen, so dass man erkennt, wie man an den Themen arbeiten kann.
Selbstreflexion reicht doch auch, oder?
Bis zu einem gewissen Grad kann Selbstreflexion – also die eigene kritische Auseinandersetzung der eigenen Handlungen und Verhaltensweisen sicher gewisses Potenzial für Optimierung oder Veränderung aufzeigen. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass man Dinge an sich selbst kritisiert, die für andere womöglich sogar wertvoll sind. Und auf der anderen Seite ist es gut möglich, dass man seine eigenen sogenannten ‘Blind Spots’ – also die blinden Flecken, welche einem im Weg stehen – nicht erkennt. Weil man sie schlichtweg selber nicht sieht.
Praxis-Tipp: Coaching als Leadership Skill
Wir haben alle spezielle Fähigkeiten, die uns ausmachen. Es ist nicht immer Voraussetzung, tiefgründige Ausbildungen zu absolvieren, um sich etwas Neues anzueignen. Unser Umfeld kann uns in kleinen, aber wichtigen Schritten genau dort weiterbringen, wo wir einen Unterschied machen können. Durch unsere vielfältigen Stärken-Ausprägungen qualifizieren wir uns alle dazu, die Menschen in unserem Umfeld weiter zu bringen. Es gibt aus meiner Sicht drei Voraussetzungen:
Vom Gegenüber darum gebeten werden: Der oder die Coachee ist also intrinsisch motiviert, vorwärts zu kommen.
Echtes Interesse am Wachstum des Coachees: Es geht nicht um Kritik.
Echtes Zuhören.
Als neutrales Gegenüber können wir so den jeweiligen Personen helfen, ein ganzheitlicheres Bild des Themas zu erkennen. Im gemeinsamen Austausch gewinnt die Person, welche sich entwickeln möchte, neue Einblicke in die Situation. Wenn das Thema zudem noch stärker mit wertschätzenden Fragen statt mit starren Aussagen adressiert wird, entsteht für das Gegenüber echtes Entwicklungspotenzial.
Vertiefung
Ein spannender Beitrag zu diesem Thema bringt der Chirurg Atul Gawand in seinem Ted Talk aus 2017. Sein Fazit: «It's not how good you are now; it's how good you're going to be, that really matters.» Frei übersetzt also: «Es geht nicht darum, wie gut Du jetzt bist; es geht darum, wie gut du sein wirst.» Hier geht’s zum Beitrag
Bild: Screenshot Ted Talk Atul Gawande TED2017
Fazit
Das Zulassen eines Aussenblicks braucht Mut. Die Kraft, die daraus entsteht, ermöglicht den Wechsel von Durchschnitt zur Exzellenz. Wenn man es wagt, genau hinzuschauen und zu hören, kann man genau da ansetzen, wo die Stärken sind und so den Unterschied machen. Das wird einem persönlich helfen. Aber auch allen, die mit einem zu tun haben.
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